Am 7. März 2020 veranstaltete der Verein Seebrücke Heilbronn eine Kundgebung auf dem Kiliansplatz, um auf die unmenschliche Situation an der EU-Außengrenze aufmerksam zu machen. Dazu hielt ich die folgende Rede.
Liebe Freundinnen und Freunde,
an Europas Grenzen werden Geflüchtete mit Tränengas und Blendgranaten beschossen, Assads Truppen bombadieren in Idlib Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser. Menschen werden zum Spielball grausamer Machtpolitik.
Wir sehen diese Bilder und ich kann es nicht fassen: ich denke mir: was muss noch alles passieren, dass die Bundesregierung und die EU endlich einschreiten?
Jetzt werden sie doch verstehen, dass wir handeln müssen. Dass Griechenland bei der Aufnahme von Geflüchteten unterstützt werden muss und dass wir uns nicht durch einen EU-Türkei-Deal erpressbar machen lassen dürfen.
Genau das hätte meiner Meinung nach die Bundesregierung sagen müssen. Aber nein, genau das hat sie nicht gesagt, obwohl das die einzig zulässige Antwort gewesen wäre, wenn man von europäischen Werten ausgeht.
Stattdessen ist die Situation ein Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention, des Europarechts und des Völkerrechts indem der Zugang auf Asyl ausgesetzt ist und schutzsuchende Menschen mit Gewalt beschossen und zurückdrängt werden.
Doch was hat denn die Bundesregierung eigentlich gesagt?
Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin und die Bundesregierung haben den griechischen Grenzschützern gedankt und ihnen zugesichert, dass sie auch von deutschen Polizist*innen und Polizisten bei der Grenzsicherung unterstützt werden. Das wurde mit den Worten „Solidarität für Griechenland“ betitelt. Ist das Solidarität?
Solidarisch wäre gewesen, wenn Griechenland bei der Aufnahme von den Geflüchteten unterstützt worden wäre. Wenn Deutschland zumindest 5000 besonders schutzbedürftige aufgenommen hätte. Wenn man an die über 60.000 Menschen denken würde die in den Lagern unter inakzeptablen Bedingungen hausen müssen. An die Kinder, die dort schwer traumatisiert werden und Selbstmordgedanken entwickeln. Europa schaut tatenlos zu. Kann das unser Europa sein, in dem wir leben wollen?
Und an alle, die sagen, dass wir eine europäische Lösung brauchen: Natürlich brauchen wir die! Aber wir können darauf nicht warten, wir haben keine Zeit mehr.
Genügend Länder und Kommunen haben sich bereit erklärt, ein Kontingent von älteren Menschen, Kindern und Kranken aufzunehmen. Und das müssen jetzt wir nutzen!
Außerdem: Das Argument mit dem nationalen Alleingang ist spätestens seit den letzten Tagen nur noch lächerlich, nachdem die Bundesregierung den Abgeordneten mitgeteilt hat, dass sie demnächst 32 Millionen Euro an die türkische Küstenwache überweisen wird. 32 Millionen Euro im absoluten nationalen Alleingang an die Küstenwache, die laut Erdogan gar keinen Grenzschutz mehr betreibt.
Wir müssen die richtigen Prioritäten setzen! Und wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, Leid mindern und vor allem: Menschenleben retten. Seit 2015 haben wir genügend Zeit gehabt eine Lösung zu finden!
Und wenn ein Putin bei den Vereinten Nationen blockiert und keine Waffenruhe zulässt, dann müssen mindestens individuelle Sanktionen gegen die Kriegsverbrecher in Syrien auf den Tisch. Dann müssen Reiseverbote ausgesprochen werden und Konten eingefroren werden, dann müssen Sanktionen her.
Die Menschen in Idlib brauchen eine sofortige Waffenruhe, Medizin, Nahrung und winterfeste Unterkünfte. Es braucht einen Einsatz der Europäischen Union und der Bundesregierung, damit anhand der Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates die humanitären Korridore wieder geöffnet werden und die Menschen versorgt werden können.
Auch das große Leid in Nordsyrien, das durch die völkerrechtswidrige türkische Besatzung erhöht wurde, muss unser Thema sein. Letzt nannte Heiko Maas die Türkei „einen Partner“ – das ist nicht nur völlig unangebracht, sondern ein Schlag ins Gesicht aller Kurdi*nnen und Kurden, die unter dieser Militäroffensive leiden.
Die EU darf sich nicht, aus Angst vor innenpolitischen Attacken, erpressbar machen mit einem EU-Türkei-Deal. Diese reiche Welt, die fast 2 Billionen Dollar für Waffen übrig hat, aber immer wieder bei der humanitären Hilfe spart, ist menschlich unerträglich.
Ja, es ist gut, dass die EU und die Bundesregierung dorthin Gelder fließen lassen und dass sie die Gelder nun erhöhen, ist richtig. Trotzdem reicht das nicht: Es ist Zeit, wirkliche Verantwortung zu tragen. Beispielsweise mit Kontingenten für besonderen Schutzbedürftigen, die die Bundesregierung möglich machen könnte. Und muss!
Dafür stehen wir heute zusammen solidarisch ein.
Vielen Dank.